Rom

Auf den zweiten Blick

Es gibt keine Stadt auf dem Erdkreis, die Besucher mit solcher Fülle von Sehenswertem empfängt. Wer das Centro Storico vom Vatikan bis Forum Romanum durchmessen hat, wird mit Eindrücken beschenkt, die den Wunsch wecken, bald wiederzukommen und tiefer in versteckte Schätze einzutauchen, die in der „Ewigen Stadt“ zu entdecken sind.

Jeder kennt sie,

die Monumente der Antike,

... der Renaissance und des Barocks Roms aus unzähligen Berichten, Fotos oder Filmen. Sie sind Teil des kollektiven Kunstwissens der ganzen Welt. Doch wer sie dann das erste Mal wirklich besucht, ist fasziniert und begeistert, auch wenn er vorher der Meinung war, alles schon längst aus diversen Medien zu kennen.

Denn Rom ist keine Museumsstadt. Die Relikte vergangener Zeiten sind von einer lebendigen Metropole umspült und die Römer leben ganz selbstverständlich in ihnen. Das macht den Reiz eines Aufenthalts in dieser Hauptstadt der Welt aus – das Nebeneinander von Erhabenem und Alltäglichem. Auch in den Gassen rund um die Fontana di Trevi oder das Pantheon leben und arbeiten Menschen, oft auch in Handwerksbetrieben, die seit Generationen in Familienbesitz sind.

Natürlich leidet auch Rom unter zunehmender Gentrifizierung, und dennoch leben vergleichsweise viele Bürger noch in einer Stadt, die für andere einfach nur ein touristischer Sehnsuchtsort ist. Abends, wenn die Museen oder andere Sehenswürdigkeiten schließen, verödet sie nicht, sondern erwacht erst richtig zum Leben, besonders in Vierteln wie Trastevere, San Lorenzo oder am Testaccio, einer antiken „Müllhalde“ von Millionen Amphoren, die für Archäologen seit Jahren eine Schatzkammer der Erkenntnis für das alltägliche Leben in der ersten Millionenstadt der Geschichte ist.

Überhaupt ist dieses Viertel, abseits der großen Touristenströme im Süden gelegen, einer der Orte, die man auf den zweiten Blick erkunden sollte. Gerade, wenn man wirklich authentische römische Küche sucht, sollte man in diesem traditionellen Arbeiter- und Handwerksviertel auf Entdeckungstour gehen.

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Diokletiansthermen

Santa Maria degli Angeli e dei Martiri

Die am besten erhaltenen antiken Bauwerke Roms verdanken diesen Zustand der Wiederverwendung als christliche Kirchen. Das ist beim Pantheon so und auch bei den Diokletiansthermen, die ab 1563 unter der Bauleitung Michelangelos in die Kirche Santa Maria degli Angeli e dei Martiri umgewandelt wurden. Weitere Teile des riesigen Thermenareals sind heute Museum oder werden anderweitig genutzt.

Rom lässt einen nicht wieder los, wenn man es einmal besucht hat, auch wenn man selbst im Sommer unter der Hitze und den Besuchermassen gelitten hat. Umso schöner wäre es doch, etwas zu entdecken, das zwar unbekannter, aber genauso sehenswert ist wie die Berühmtheit eines Kapitols oder Forums, Orte, die man auch in der Hochsaison besuchen und in Ruhe erkunden kann.

Es bietet sich daher an, sich immer ein Areal auszusuchen, das man in wenigen Gehminuten ohne Stress durchmessen kann. Die Diokletiansthermen sind ein solcher Platz unweit der Stazione Termini.
In den Jahren 298 bis 306 n. Chr. erbaut, waren sie neben den Thermen des Caracalla eine der größten Badeanlagen des antiken Roms, die für 3.000 Besucher ausgelegt waren. Nach dem Untergang des Imperiums teilte die Anlage das Schicksal vieler Monumente. Es wurde als Steinbruch verwendet oder anderweitig genutzt.
Trotzdem ist hier noch sehr viel der Substanz erhalten und man kann die römische Architektur bei genauerem Hinsehen nacherleben. Einer der Größten der Kunstgeschichte, Michelangelo, hat die Pläne für die in der ehemaligen Halle des Frigidariums eingebaute Kirche Santa Maria degli Angeli e dei Martiri geschaffen. Von außen ist sie gegenüber der alten Baustruktur wunderbar zurückhaltend, dafür innen umso prächtiger.

Eine Besonderheit ist der in den Fußboden eingebaute Meridian, der als Basis für mathematische Berechnungen z. B. für die Festlegung des Osterfestes diente. So findet sich auf dem Gelände auch heute noch ein Planetarium – eine wundersame Verbindung von Glauben und Wissenschaft. Mit dem Rundbau San Bernardo kann man dort noch eine weitere sehenswerte Kirche besuchen. Nicht verpassen sollte man das Museo Nazionale Romano im Palazzo Massimo alle Terme mit einer einzigartigen Sammlung römischer und griechischer Kunst an diesem historischen Ort.

Unbedingt ansehen sollte man sich das gegenüberliegende Antikenmuseum im Palazzo Massimo alle Terme.

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Santa Costanza

Heidnisches und Frühchristliches erfrischend vermischt

Santa Costanza wurde bereits im 4. Jahrhundert als Grablege der beiden Töchter des Kaisers Konstantin erbaut. Es war ursprünglich nur ein Anbau an die spätantike Großkirche Sant’Agnese fuori le mura, von der heute nur noch Mauerreste zu sehen sind. Ein magischer Ort, an dem Geschichte fühlbar wird.

Eine der architektonischen Höchstleistungen des Imperium Romanum war der Kuppelbau. So war das Pantheon bis zur Errichtung der Dome in Florenz und Rom in der Renaissance die größte seiner Art, da das Wissen um Architektur und Konstruktion dieser kühnen Dachkonstruktionen im Mittelalter verloren ging. Erst Brunelleschi schaffte es nach langem Studium des Pantheons, die Kuppel in Florenz zu vollenden und der Kunst dieses Wissen zurückzugeben.
Etwas außerhalb der Aurelianischen Stadtmauer, an der alten Via Nomentana, kann man völlig ungestört noch einen antiken Kuppelbau besichtigen: die Kirche Santa Costanza. Ursprünglich als Mausoleum für seine Töchter von Kaiser Konstantin erbaut, verfügt sie über dem Zentralraum über eine 11,50 Meter weite Kuppel, die die Römer mit einer ihrer Erfindungen, dem Beton, errichten konnten.
Da das Gebäude 1938/39 aller seiner Veränderungen der Jahrhunderte entledigt wurde, steht man vor einem authentischen Gebäude samt wunderbarer Mosaiken in antiker Tradition. Gemeinsam mit den Resten einer Basilika aus dieser Zeit, der Kirche Sant’Agnese fuori le mura und den weitläufigen Katakomben der Hl. Agnes bildet Santa Costanza ein Besichtigungsziel von historischer und künstlerischer Bedeutung abseits der großen Touristenströme.

Marcellustheater

Vorbild der Kolosseums

Ein paar Schritte vom Kapitol entfernt, gegenüber des „Mundes der Wahrheit“ (Bocca della Verità), erhebt sich die eindrucksvolle Bogenfassade des Marcellustheaters. Es war die größte Spielstätte seiner Zeit in der Stadt, bot bis zu 15.000 Zuschauern Platz und war das architektonische Vorbild für das viel später errichtete Kolosseum. Allerdings starb hier niemand bei blutigen Spielen, sondern höchstens bei einer Tragödie im letzten Akt.
Es geht auf Kaiser Augustus zurück und dient heute als Wohnhaus. Ja, Sie haben richtig gelesen, denn es wurde in der Renaissance von der Familie Orsini umgebaut und beherbergt heute die wohl begehrtesten Stadtwohnungen des an besonderen Lagen nicht gerade armen Roms.

Von hier aus kann man auch mit wenigen Schritten einiges besichtigen. So die Casa dei Crescenzi, deren Basis ein Turm aus dem Mittelalter ist, der das Tiberufer und die Ponte Emilio beherrschte. Besonders ist die Fassade, in der verschiedenste, auch antike Elemente und Figuren eingebaut wurden – etwas, das man an vielen Gebäuden der Stadt mit aufmerksamen Augen entdecken kann ...
Die Sache mit dem „Steinbruch“, wie schon gesagt, die eigenwillige Form des Denkmalschutzes in alten Zeiten, wie die antiken Säulen, die man an der Kirche San Nicola in Carcere sieht. Der Turm war im Mittelalter ein Wachturm und wurde erst später zum Campanile der Kirche.
Und wieder ist ein Gebäude der sich wandelnden Zeiten entstanden. Reine Antike kann man auf dem Forum Boarium, dem antiken Viehmarkt, mit dem Tempel des Herkules und des Portunus und mit dem Janusbogen erleben. Mit einem Picknickkorb lässt sich dann am nahen Tiberufer eine wunderbare Pause machen, etwas abseits der lauten Stadt. Oder man macht einen kleinen Spaziergang zum Circus Maximus und rastet ein wenig auf den grasbewachsenen ehemaligen Tribünen mit Blick auf die Rückseite des Kapitols.

Bloß nicht von der langen Touristenschlange an der Vorhalle der Kirche Santa Maria in Cosmedin abschrecken lassen. Die Leute wollen alle nur ein Erinnerungsfoto an der Bocca della Verità machen. Eigentlich viel sehenswerter ist die Kirche selbst, mit ihrem schönen Cosmatenboden. Sie wurde im 6. Jahrhundert erbaut und vermittelt eine ganz besondere Atmosphäre.

Im Süden Roms

Einen ganzen Tag sollte man sich für den Süden von Rom vornehmen. Am besten beginnt man seinen Weg aus der Stadt heraus mit der Basilika des Laterans – war hier doch vor der Errichtung des Petersdoms der Sitz der Päpste.

Schon Konstantin der Große, der das Christentum zur Staatsreligion machte, ließ hier die erste monumentale Kirche errichten, die immer wieder gemäß des Zeitgeschmacks umgebaut wurde, aber heute noch viele Elemente aus dem 4. Jahrhundert enthält wie zum Beispiel die imposanten Säulen des Innenraums.
Auch sollen die Eingangstüren von der Curia Iulia, dem Sitz des Senats auf dem Forum, stammen. Das Baptisterium (Taufkapelle) ist wohl das älteste der Christenheit und ist mit seinem achteckigen Grundriss Vorbild für alle anderen Bauten dieser Art. Bis 1309 wohnten die Päpste in einem Palast, dessen Reste nur noch in der Kapelle Sancta Sanctorum und der „Heiligen Treppe“ fortbestehen. Beides sind Zeugnisse der besonderen Bedeutung Roms für die Gläubigen. Die „Heilige Treppe“ soll aus dem Palast des Pontius Pilatus in Jerusalem stammen und wurde von der Hl. Helena, der Mutter Konstantins, nach Rom gebracht. Sie darf nur in Erinnerung an die Passion Christi kniend erklommen werden.

Das „Allerheiligste“ dagegen ist die ehemalige Hauskapelle der Päpste, die einst die wertvollsten Reliquien Roms beherbergt hat. Heute befindet sich dort ein sogenanntes Acheiropoieton, ein Bildnis Jesu, das nicht von Menschenhand, sondern von Engeln geschaffen wurde. Der Obelisk auf dem Platz vor der Basilika ist übrigens der mit 45 Metern höchste und älteste Roms und stand einst im Circus Maximus.

Acquedotto Claudio

Parco degli Acquedotti

Nach so viel Stein und Religion ist etwas entspannendes Grün wohl ein willkommener Kontrast. So nimmt man nun einfach die U-Bahn bis zur Station Cinecittà, dem legendären Filmstudio von Fellini, Rossellini, De Sica und anderen Größen des italienischen Kinos. Von dort ist es ein Katzensprung zum Park der Aqua Claudia.
Das Viadukt wurde, wie sein Name sagt, unter Kaiser Claudius erbaut. In einer anmutigen Landschaft eingebettet, ist es das eindrucksvollste und besterhaltene Zeugnis der legendären Wasserversorgung der antiken Metropole. Für die Römer ist der gestaltete Park ein sehr beliebtes Naherholungsgebiet und gehört zum Areal der Via Appia Antica. Ein Spaziergang oder eine Fahrt auf altem Pflaster entlang der christlichen Katakomben und römischen Prachtgräber ist gerade am Sonntag eine Abwechslung zur hektischen Stadt.

Centro storico

Doch auch für das von Touristen geflutete Centro Storico haben wir noch ein paar Oasen parat:

Einmal sollte man erleben, wie der alte römische Adel einst in seinen Palazzi gelebt hat und noch heute lebt. Unweit der Piazza Navona ist heute der Palazzo Altemps aus dem Mittelalter in seiner beispielhaften Architektur als Antikenmuseum der Öffentlichkeit zugänglich.
Der prachtvolle Innenhof lässt einen sofort den Trubel außerhalb der Mauern vergessen. An der Via del Corso, der verkehrsreichsten Straße Roms, liegt der Palazzo Doria Pamphilj. Hier kann man die umfangreiche und beeindruckende Bildersammlung in den herrschaftlichen Repräsentationsräumen in Ruhe besichtigen.
Glücklicherweise stürmen die gehetzten Touristen in den meisten Fällen geradewegs Richtung Kapitol und Forum an diesem Juwel vorbei. Ausgesuchte Bilder von Velázquez und Caravaggio, aber auch ein Dürer zeugen von der Kunstsinnigkeit des alten Geschlechts.

Das absolute Highlight ist aber der Palazzo Colonna gleich um die Ecke. Nur am Samstag zwischen 10 und 12 Uhr mittags kann man über einen Seiteneingang (Via della Pilotta 16) mit Führungen die unglaubliche Galleria mit ihrer sprachlos machenden Sammlung, die anmutigen Gärten und eine private Zimmerflucht im Erdgeschoss rund um den lauschigen Innenhof besuchen, ein paar Anekdoten zur Familiengeschichte inklusive. Leider nur auf Italienisch, Englisch oder Französisch, aber dies sehr freundlich und fachkundig. Noch heute wohnt eine der einflussreichsten Familien des römischen Hochadels in diesem Areal, die in diesen Räumen über Jahrhunderte das Geschick der Stadt mitbestimmten und enthusiastische Sammler waren.

Hier versteckt sich hinter einer unscheinbaren Fassade eine der wenigen gotischen Kirchen Roms – Santa Maria sopra Minerva. Neben Michelangelos Jesusskulptur sollten Kunstliebhaber aber vor allem wegen der Carafa-Kapelle einen Blick hineinwerfen.
Die wunderbaren Fresken Filippino Lippis gelten als ein Hauptwerk der Frührenaissance.

San Luigi dei Francesi

Kunst Highlight

Zum Abschluss noch ein absolutes Muss für jeden Kunstliebhaber: Zwischen Pantheon und Piazza Navona steht eine außen eher nüchtern gehaltene Kirche der Spätrenaissance, San Luigi dei Francesi. Innen aber sollten Sie sich die Contarelli-Kapelle nicht entgehen lassen.
Für diesen Raum schuf Caravaggio drei seiner schönsten Gemälde, u. a. die „Berufung des Hl. Matthäus“. Es ist dies die einzigartige Möglichkeit, bedeutende Kunst in der Architektur und dem Licht zu betrachten, für die sie geschaffen wurde. Wir sind es gewohnt, solche Gemälde nur noch frontal in perfekt ausgeleuchteten Museen zu sehen, aber hier erhalten diese eine Lebendigkeit, die sich in der Stadt und ihren Menschen draußen auf der Straße widerspiegelt.
So bekommt man Lust auf einen vielleicht dritten Blick auf Rom, die ewige Stadt. Denn es gibt hier noch viel mehr in allen Winkeln und Gassen zu entdecken.

Unweit der Piazza Navona findet sich der Palazzo Altemps.

Der Palast ist an sich schon sehenswert, als Teil der römischen Antikensammlung allerdings ein echter Tipp.