Nach Hause kommen pur

Das „Relais & Chateaux Park-Hotel Egerner Höfe“ in Rottach-Egern konnte in diesem Jahr einen der ganz großen Köche Deutschlands an den Tegernsee holen. Dem Ruf von Klaus-Dieter Graf von Moltke und seiner Frau Susanne ist Thomas Kellermann sehr gerne gefolgt, denn für den gebürtigen Weilheimer ist es „nach Hause kommen pur“.

„Und genau diese Heimatverbundenheit – neben seiner großartigen Küchenleistung, für die er zuletzt auf ‚Burg Wernberg‘ in der Oberpfalz mit zwei Sternen ausgezeichnet wurde – gab auch den Ausschlag für sein Engagement“, erklärt Graf von Moltke. Nach dem Ausstieg von Sternekoch Michael Fell zum Ende vergangenen Jahres hatten er und seine Frau Susanne nicht einfach nur einen hochkarätigen Nachfolger gesucht, sondern jemanden, der das Haus weiterentwickelt und dessen Philosophie lebt. „Unser Thema heißt Heimat“, sagt Graf von Moltke. „Wir bekennen uns eindeutig zur Region.“

Regionalität als Bekenntnis

Für Graf von Moltke bedeutet Regionalität tatsächlich viel mehr als die Verfolgung eines Trends. „Wenn wir von Regionalität sprechen, dann wollen wir uns nicht einigeln, sondern Teil einer globalen Welt sein, aber für eine starke Heimat, also 80 Prozent Region und 20 Prozent Welt. Das nenne ich Bekenntnis 2021. Wir wollen auch nicht den Schweinebraten neu erfinden, unser Thema muss vielmehr sein: Wenn es bei uns einen Schweinebraten gibt, dann muss er von einem Schwein sein, vom dem wir genau wissen, woher es kommt. Damit wollen wir nicht Messias spielen, sondern zeigen, dass es geht. Das ist nicht immer ganz so leicht, wie es bei vielen klingt. Aber gerade deswegen sind wir so froh, Thomas Kellermann gefunden zu haben, der eben nicht nur ein Spitzenkoch ist, sondern mit uns dieses Bekenntnis lebt.

Regionalität schließt Moderne nicht aus

Dabei sind bei den Kreationen des Spitzenkochs Region und Herkunft einfach die Wurzeln, aus denen die meisten seiner ideenreichen Kreationen entstehen. Und bei aller Liebe zum köstlichen Detail verzichtet er auf unnötige Spielereien auf dem Teller. Stattdessen konzentriert er sich auf wesentliche, sehr pointierte Kernaromen und beherrscht es meisterlich, dem Einfachen ein Podium zu geben. Dazu kommt, dass das Tegernseer Tal und seine Umgebung das Thema Regionalität ja geradezu anbieten. Hier muss man nicht mit exotischen Wurzeln oder Insekten arbeiten, um den Gästen Produkte zu servieren, die aus heimischem Anbau oder Zucht kommen. „Die Kühe grasen praktisch hinter dem Haus, und unser Hausherr ist sogar selbst Jäger“, schwärmt Thomas Kellermann. Und in seinen ersten Wochen hat er jeden Tag neue Lieferanten kennengelernt. Denn es hat sich herumgesprochen, dass sich „der Neue“ in den „Egerner Höfen“ nicht nur über schöne Produkte freut, sondern als Oberbayer auch dieselbe Sprache wie die einheimischen Lieferanten spricht. Passt also!

Ich mache mir gerne Konkurrenz im eigenen Haus

Das Gourmetrestaurant „Dichterstub’n“ der „Egerner Höfe“ wurde schon vor seiner Ankunft ein wenig erweitert. Im Erdgeschoss des Restaurants gibt es nun zwei große Tische – davon ein sogenannter „Chef’s Table“ –, was die Kapazität auf 30 Plätze erweitert.

Doch das Gourmetrestaurant ist nicht das einzige kulinarische „Outlet“ der „Egerner Höfe“ und damit nicht das einzige Restaurant, für das Thomas Kellermann die Verantwortung übernimmt. Auch wenn die „Dichterstub’n“ sicher im größten öffentlichen Fokus steht, weiß er: „Alle anderen Restaurants sind auch wichtig. Nur in der Summe sind wir ein attraktives gastronomisches Angebot für unsere Gäste.“ Das bedeutet: Auch „Hubertusstüberl“ und „Malerstub’n“, „St. Florian“ und „Salettl“, Bar und Wintergarten bis hin zum Frühstück tragen jetzt seine Handschrift. Dazu kommt noch die wunderschöne „Egerner Alm“. Dort wird die Karte zwar natürlich urbayerisch bleiben, aber Thomas Kellermann wäre nicht Thomas Kellermann, wenn er nicht auch hier seine eigenen Akzente setzen würde. „Ich mache mir gerne Konkurrenz im eigenen Haus“, lacht der sympathische Koch. Und er bildet die „Konkurrenz“ sogar aus: Ab sofort gibt es nämlich auch Kochkurse für Gäste mit ihm.

Der Druck der Sterne

Wenn man einen Koch, der mit seinem Team jahrelang zwei Sterne gekocht hat, ins eigene Haus holt, dann zeigt das schon einen gewissen Anspruch. Was hat das Ehepaar von Moltke dazu bewegt, weiter auf Sterneküche zu setzen? Susanne Gräfin von Moltke. „Genau das haben wir lange diskutiert. Wollen wir von einem Stern runtergehen und einfach ein italienisches Restaurant machen? Suchen wir uns einen anderen 1-Sterne-Koch oder versuchen wir einen Schritt weiterzugehen? Da es für uns aber nie Rückschritt gab, sondern immer nur den Blick nach vorne, war die Richtung eigentlich klar.“ Und dann lernten die beiden Thomas Kellermann kennen. Alle drei merkten schnell, dass die Chemie und die gemeinsame Philosophie stimmen. Und die Entscheidung war gefallen. Fühlt sich Thomas Kellermann jetzt unter Druck? „Nein, denn ich kann es nicht wirklich beeinflussen, außer damit, dass mein Team und ich das Beste geben, vor allem für die Gäste.“ Natürlich ist ihm bewusst, dass er in einer Liga spielt, in der die Sterne-Frage gestellt wird. „Aber ich glaube, der größte Erfolg kommt noch immer von zufriedenen Gästen. Und dann muss man abwarten und Ausdauer besitzen. Ich bin auch beim Sport kein Sprinter, sondern Marathonläufer (der übrigens auch in diesem Jahr schon am großen Tegernsee-Lauf teilgenommen hat, Anm. d. Red.). Zuerst muss man die Gäste kulinarisch an das Haus binden, dann stehen sie auch zu dir.“

Die Mitarbeiter – und das ist für den Erfolg jedes Restaurant-Teams enorm wichtig – stehen offenbar bereits voll hinter ihm. Daher gehört der Schlusssatz dieses Artikels der jungen begabten Sommelière der „Dichterstub’n“, Nina Geschka: „Einen so netten, charmanten und kultivierten Küchenchef hat man selten.“