Mit der Zeit gehen

Spaziergänge durch München

Spazierengehen ist eine Wohltat für Körper und Geist: Beim Gehen kann man gut abschalten und unangenehme Gedanken verbannen. Flanieren regt den Kreislauf an und kann in Zeiten strenger Kontaktbeschränkungen sogar zum sozialen Höhepunkt des Tages werden. Also Augen auf und staunend durch die Stadt spazieren!

Es ist noch früh.

Rund um die nördliche Auffahrtsallee vor dem Nymphenburger Schloss herrscht noch Ruhe, es ist noch leer im Schlosspark mit seinen Schlösschen, Seen und Kanälen – nur wenige Läufer und Spaziergänger trotzen den noch kalten Frühjahrstemperaturen auf den zahlreichen Wegen durch eine der größten und schönsten Parkanlagen Europas. Zu hören ist nur das Knirschen der Schritte auf dem Boden. Es ist ein kalter Vormittag, vereinzelt bricht sich die Sonne mit ersten Strahlen Bahn durch die graue Wolkendecke. Ein perfekter Morgen für einen Spaziergang!

Spazierengehen in München.

Warum nicht einmal ein verwunschenes Kloster in Untergiesing flanierend erkunden, oder die Schauplätze der größten Verbrechen in der schönsten Stadt der Welt aufsuchen? Für einen Spaziergang mit reichlich Futter zum Staunen und Entdecken muss oft nicht einmal ein halber Tag eingeplant werden, auch das Auto kann in der Garage stehen bleiben. Wir laden ein, zu einem Streifzug durch die Stadt.

Nymphenburger Schlosspark und Botanischer Garten

Ein Spaziergang rund um das Schloss lohnt sich natürlich nicht nur im Winterhalbjahr, …

… sondern ist zu jeder Jahreszeit ein absolutes Highlight. Zugegeben, dieser Spaziergang ist ein Klassiker, nicht nur für die Liebhaber des gepflegten Sonntagsspaziergangs, für Frischverliebte oder Familien mit Kindern. Sich einmal dem Königshof zugehörig fühlen und durch die prächtigen Anlagen lustwandeln – im Frühjahr und Sommer können außerdem die kleinen Lustschlösschen besichtigt werden. Die Runde durch eines der größten Gartenkunstwerke der Welt führt noch an weiteren Prachtbauten vorbei: der Großen Kaskade, der Amalienburg, der Pagodenburg oder der Magdalenenklause.

Einen Abstecher lohnt auch der Monopteros –

ja, auch im Schlosspark befindet sich ein solcher griechischer Säulentempel …

… direkt am Badenburger See – ein romantisches Plätzchen. Wer jetzt kein festes Ziel hat, biegt gerne in Richtung des Botanischen Gartens ab und spaziert hier weiter durch die wunderschönen Gärten oder zahlt Eintritt für die Gewächshäuser. Der Botanische Garten ist übrigens ebenfalls zu jeder Jahreszeit einen Besuch wert – schon ab April duftet es hier nach Frühling – bedingt durch die Corona-Pandemie ist der Botanische Garten momentan geschlossen.

Staunen und ruhig einmal vom Weg abkommen

Spazierengehen entspannt, regt Muskulatur und Kreislauf an und macht den Kopf frei.

Eine Wohltat für Körper und Geist. Spazierengehen hat durch die Corona-Krise eine neue Welle der Wertschätzung erfahren und auch jüngeren Menschen „Beine gemacht“: Flanieren wird zum sozialen Ereignis, zum Ausgleich für fehlende Treffen in Clubs oder Cafés. Darüber hinaus ist Spazierengehen eine sinnvolle und momentan wohl auch die ungefährlichste körperliche Aktivität, dabei einfach, kostengünstig und absolut umweltfreundlich. Egal ob stylishes Schlendern durch die Innenstädte, oder abenteuerlastiger als Geocache. „Spazierengehen ist wie eine Flucht“, beschreibt es Bertram Weisshaar, Deutschlands Spazierforscher Nummer eins. Der Promenadologe erforscht nicht nur das Spazierengehen an sich, sondern entwickelt Stadtspaziergänge und schreibt Bücher über Wandern und Flanieren. „Durch Homeoffice und Lockdown fühlen sich die Menschen eingesperrt“, erklärt er. „Rausgehen sorgt für Entspannung und bietet einen wichtigen Ausgleich“. Und es stimmt: Nirgends sonst kann man den Gedanken freien Lauf lassen und alles Belastende angenehm ausblenden.

Kontaktlos durch die Innenstadt

Warum also nicht in der direkten Umgebung nach spannenden Zielen Ausschau halten?

Und München hat davon wirklich viele. In der Innenstadt lässt sich trefflich auf Promi-Spuren wandeln, Münchens Kulturhistorie oder Architektur erforschen und vieles vieles mehr. Kennen Sie die zahlreichen (Innen-)Höfe, Arkaden und Passagen in der Altstadt? Wer es geschickt anstellt, kann hier sogar schnee-, regen- und eisfrei durch die Stadt bummeln und dabei entspannen. „Die Höfe und Plätze bieten Orte der Ruhe und Erholung im Trubel der Innenstadt“, sagt Münchens Stadtbaurätin Elisabeth Merk. Ein abwechslungsreicher Spaziergang startet am Viktualienmarkt. Über den Rindermarkt, Alten Hof und die Residenzpost zum Max-Joseph-Platz. Wer mag, kann noch einen Abstecher in die Hofgartenarkaden machen, dann geht es über die Theatiner-Passage, in die Fünf Höfe zurück ins Herz der Altstadt. Den Abschluss bildet dann die kleine, aber feine Passage zum Asam-Hof.

Schlendern in Bogenhausen

Bogenhausen ist ein Stadtviertel mit Geschichte, viel Grün, und wunderschönen Plätzen.

Hier kann man sich treiben lassen, den Reichen und Schönen in die Gärten schauen, die neusten Sportwagenmodelle bewundern – oder dem Friedensengel huldigen. Von hier aus geht es dann am Isarhochufer weiter über die Maria-Theresia-Straße, vorbei an Botschaften und Villen hin zum Hildebrandhaus. Für alle, die das literarische München entdecken und erleben wollen, öffnet die Monacensia Haus und Garten – ein entspannter Ort für Lektüre und Begegnungen, zumindest außerhalb von Pandemiezeiten.

Ein Stückchen weiter, ...

... am Ende der Maria-Theresia-Straße landet man schließlich beim kleinen, wunderschön verwunschenen Bogenhauser Friedhof, der letzten Ruhestätte vieler berühmter Münchnerinnen und Münchner. Hier liegen Rainer Werner Fassbinder, Helmut Dietl und Bernd Eichinger, Liesl Karstadt, Helmut Fischer und Walter Sedlmayr, Erich Kästner oder auch Oskar Maria Graf begraben. Gemessen an seiner Größe versammelt der Friedhof auf einem kleinen Hügel direkt an der kleinen Barock-Kirche St. Georg die größte Promi-Dichte. Nur 208 Grabstätten gibt es hier, wer eine davon ergattern will, muss schon etwas vorzuweisen haben: 30 Jahre lang seinen Wohnsitz in München oder sich besonders um die Stadt verdient gemacht haben. Einen gebührenden Abschluss findet unser Bogenhausen-Spaziergang nach einem Abstecher an die Sternwarte. 1816 gegründet als Königliche Sternwarte, ist sie heute über 200 Jahre alt, ein historischer Ort, an dem die Zeit stehen geblieben scheint. Die Sternwarte gehört zum Institut für Astronomie und Astrophysik der LMU, geforscht wird hier heute nicht mehr; vielmehr dient die Universitätssternwarte als Museum

Im Westpark die Welt entdecken

Einen Genießer-Spaziergang, einmal rund um die Welt, kann man im Westpark unternehmen.

In nur 80 Minuten schafft man es bummelnd von Österreich nach Asien. Startpunkt ist das Hoch-WiesenHaus des Österreichischen Künstlers Friedensreich Hundertwasser, das anlässlich der Internationalen Gartenbauausstellung entworfen wurde, die 1983 in München stattfand – doch nicht nur das kleine Haus im Maßstab 1:20 wurde dafür geschaffen, der ganze Westpark wurde damals erst angelegt. In den künstlichen Hügel- und Tallandschaften finden sich sogar zwei Seen, der West- und der MollSee.

Der Westpark ist heute bekannt als eine Oase am westlichen Rand der Stadt, ...

... die zum Erholen einlädt und einige Highlights zu bieten hat:

Im Rosengarten blühen im Frühling 20.000 Rosen 500 verschiedener Arten. Vom Südrand des 60 Hektar großen Parks geht es über die Brücke in den Ostteil des Parks, hier steht das italienische Sardenhaus. Während der Infektionsschutzmaßnahmen der Corona-Pandemie bleiben die Kunstausstellungen aber leider versperrt – deshalb „reisen“ wir schnell weiter, am Bayerwaldhaus vorbei geht es in Richtung Japanischen Garten. Hier kann man morgens Sportler sehen, die sich im Tai Chi trainieren. Ein eben-solcher Garten mit Pavillon, einem Raum für die Teezeremonie und einem Wasserbecken steht übrigens im japanischen Yurigahara-Park und symbolisiert die Partnerschaft der Olympia-Städte München und Sapporo. In direkter Nachbarschaft liegt der chinesische „Garten von Duft und Pracht“, im Winter leider ebenfalls verschlossen. Westlich davon befindet sich im See eine buddhistische Andachtsstätte mit der Thai-Sala samt Buddha-Statue, die seit ihrer Einweihung 1994 als erstes öffentlich zugängliches buddhistisches Heiligtum in Deutschland gilt.

Das Ostasien-Ensemble komplettiert schließlich die Nepalesische Pagode, ...

... die jetzt zwar im Westpark steht, ursprünglich aber am Südhang des Himalaya geschnitzt wurde. 300 Arbeiter haben sieben Monate lang daran gearbeitet. Für Kinder hält der Westpark übrigens auch zahlreiche Highlights bereit: Allein sechs Anlagen zum abenteuerlichen Toben, vom Wasserspielplatz über das Rutschen-Paradies, stehen bereit. Wer es etwas alternativer mag, fühlt sich im Bauwagencafé richtig wohl.

Weitere Tipps: 

Im Olympischen Dorf wimmelt es von Spielplätzen und Installationen. Oder einmal die zahlrei-chen Bäche und Flussläufe in München erkunden. Wie wäre es mit einem Besuch der Herbergshäusel in Haidhausen und der Au? Hier wohnten früher die Ärmsten, heute sind die heimeligen Häuschen heiß begehrt. Oder in Schwabing und der Maxvorstadt auf den Spuren von Thomas Mann wandeln. Ein Abstecher ins Werksviertel lohnt sich für Street-Art-Fans. Unser Fazit: München hat viel zu bieten zum Staunen und Entdecken!

Spazierengehen – gut für die Seele

Spazierengehen liegt im Trend – in Zeiten der Pandemie kann man ratschend nicht nur Kilometer durch die Stadtteile zurücklegen, sondern auch scheinbar Bekanntes neu entdecken.

Lassen wir uns überraschen. Dabei ist es genau dieses Staunen, dieses, sich auf Neues und Ungewohntes einlassen, das uns neben ruhiger Schrittfolge und jeder Menge frischer Luft richtig guttut, Stress bekämpft und die Stimmung verbessert. Altersforscher aus San Francisco haben nachgewiesen, dass über dieses einfache „Staunen“ Menschen ihre Umgebung wieder positiver betrachten. Auch soziale Eigenschaften wie Mitgefühl und Großzügigkeit waren gegen Ende der Studie (wieder) stärker ausgeprägt. Die Teilnehmer der Untersuchung, allesamt Freiwillige im Rentenalter, mussten nichts Anderes tun, als täglich 15 Minuten spazieren zu gehen. Einzige wissenschaftliche Vorgabe für die Hälfte der Freiwilligen: auf die Umgebung achten und – stau-nen, wenn etwas Ungewohntes oder Schönes zu sehen ist. Keine Schwierigkeit, denn wer langsamer geht, hat mehr Zeit, auch seine Umgebung intensiver wahrzunehmen. Neben wissenschaftlichen Kennzahlen gehörten Selfies der Teilnehmenden zu den Untersuchungspara-metern. Auf diesen war im Verlauf der Studie immer häufiger ein zufriedenes Lächeln zu sehen. Spazieren gehen tut der Seele gut. Kein Wunder also, dass das „Gehen zum Zeitvertreib“ auch als Therapieform in der Psychiatrie angewandt wird, auch als Walk-and-Talk etwa für Beratungsgespräche in Zeiten strenger Infektions- schutzmaßnahmen. Wohin geht Ihr nächster Spaziergang?