Markus Wasmeier – der Hüter des kulturellen Erbes am Schliersee

Als Skirennläufer feierte er internationale Erfolge, heute führt der zweifache Olympiasieger und Weltmeister Markus Wasmeier am Rand des Ortsteils Neuhaus seiner Heimatstadt Schliersee ein privates Freilichtmuseum. Um dem bäuerlichen Alltag des 18. Jahrhunderts neues Leben einzuhauchen, wurden 19 historische Gebäude aus dem Oberland detailgetreu restauriert und auf dem Museumsgelände wieder aufgebaut. MünchenSüd sprach mit dem äußerst sympathischen Skisportler.

Ist es hier im Winter oder im Sommer schöner?

Also es wäre nicht so schön, wenn es die vier Jahreszeiten nicht gäbe, aber natürlich ist beides schön. Dieser Winter mit dem wahnsinnigen Schnee war aber ein Traum.

Wie habt Ihr das in diesem heftigen Winter mit dem Schneeräumen geschafft?

Na da waren die Wege halt ein bisschen schmäler. Nein, das war überhaupt kein Problem, auch nicht mit den Dächern, es war einfach eine Märchenwelt, ich liebe den Schnee. Natürlich ist es eine Einstellungssache, wie man mit dem Schnee umgeht, ich liebe das, für mich ist das eine Traumwelt, diese Stille, diese Kälte, dieses Besondere. Ich rieche ja den Schnee, das ist für mich natürlich ein ganz anderes Thema und das hat nichts mit dem Skifahren zu tun, der Winter war immer schon meine Leidenschaft. Aber auch die Gäste, die im Winter hierherkommen, die lieben das. Wir haben im Winter zwei Monate lang jedes Wochenende Hochzeiten. Man kann sich gar nicht vorstellen, was das für eine Gaudi ist. Und auch die Kinder sind den ganzen Tag beschäftigt, mit Skifahren, Schlittenfahren und sind abends herrlich müde. Es kommt natürlich auf die Hochzeiter selber an, die sagen hei der Winter ist auch geil – dieses Jahr hatten wir einen Bräutigam der meinte, es müsse extra viel Schnee sein, das hat, finde ich, prima geklappt.

Kommen denn im Winter genauso viele Besucher wie im Sommer?

Es ist bei uns so, dass normalerweise an Leonhardi Saisonabschluss ist. Dann haben wir drei Wochen Pause bevor es mit den Adventswochenenden losgeht, an denen unsere Wirtschaft von Donnerstag bis Samstag geöffnet ist. Am 3. Advent findet unser Weihnachtsmarkt statt und dann ist bis 12. Januar geschlossen. Und dann gibt es im Winter nur die geschlossenen Veranstaltungen wie Hochzeiten oder Firmenfeiern. Der Winter ist auch sehr wichtig für uns, da wir ganzjährig 40 Festangestellte haben. Aber um die gleichbleibende Qualität gewährleisten zu können, ist das auch notwendig und es kann nicht jedes Jahr neues Personal angelernt werden. Ich habe seit sechs Jahren so gut wie keine Fluktuation.

Welche Aktivitäten gibt es im Museumsdorf speziell für Kinder?

Es gibt immer viele Aktionen, von Kasperltheater bis Kinderspielestationen – also 100 Jahre zurück –, die Kinder können Spiele, die zu dieser Zeit gespielt wurden, nachspielen. Da geht es los vom Backen, Basteln, Kräuter suchen und finden. Aber auch Kindergeburtstage kann man buchen. Bis auf Bierbrauen und Schnapsbrennen können Kinder fast alles bei uns machen.

Sie bezeichnen sich ja selbst gerne als „Hausmeister des Dorfes“ – welche Tätigkeiten fallen denn hier so täglich für Sie an?

Die bessere Frage wäre: „Was fällt nicht an?“ Ich bin ja für Alles verantwortlich, angefangen von den Mitarbeitern zum Aufbau und Erhalt der Gebäude, wir haben eine eigene Brauerei, eine Schnapsbrennerei, eine Bäckerei, die Gastronomie und für all das trage ich die Verantwortung.Dann bin ich für die Gäste und für die Ideen rund ums Marketing zuständig. Es gibt eigentlich nichts, was ich nicht mache. Aber das kann ich natürlich nur, weil ich in den einzelnen Abteilungen super Leute habe, auf die ich mich hundertprozentig verlassen kann. Das geht nicht alleine, das funktioniert nur mit einem tollen Team, wir sind wie eine große Familie. Das macht mich schon sehr stolz. Dieser Zusammenhalt macht viel Freude und auch unseren Erfolg aus. Meine Mannschaft vertritt mich ja auch den Gästen gegenüber und da habe ich einen sehr hohen Anspruch und alle, die hier arbeiten, müssen voll in meine Philosophie eintauchen.

Es ist ein großes Kaleidoskop von verschiedensten Menschen.

Es kommen ja Menschen von überall zu uns, auch von Indien oder Australien, die beispielsweise mit der Firma hier ein Wochenende verbringen. Das freut mich besonders, da Bayern ja nicht nur Oktoberfest ist. Wenn die Menschen das Voralpenland sehen, können sie schon mehr an Traditionen und Geschichte dieses Landes mitnehmen.

Wieviel Sport und welchen können Sie heute in Ihren Alltag einbauen?

Also im Sommer hauptsächlich radlfahren, ob Mountainbike, Rennrad oder auch E-Bike. Ich schaue, dass ich jeden zweiten Tag was mache – also minimum viermal in der Woche auf alle Fälle. Jetzt geht dann auch das Schwimmen wieder los, ich schwimme leidenschaftlich gerne und lange, aber das Wasser muss ein bisschen wärmer sein, bei 18 Grad mag ich noch nicht ins Wasser. Wenn ich auf den Berg gehe, fahre ich die Hälfte mit dem Rad und den Rest gehe ich zu Fuß, da ich mit meinen zwei künstlichen Hüften das Bergabgehen möglichst vermeide.

Wie ist eigentlich die Idee zu diesem Museum entstanden?

Also eigentlich habe ich das für meine Heimat gemacht, das war der Hauptgrund. Ich habe so auf der Sonnenseite leben dürfen und wollte einfach etwas zurückgeben. Ich bin während meiner Sportlerzeit ja 320 Tage im Jahr unterwegs gewesen und die restlichen Tage bin ich zum Wäsche waschen und Koffer neu packen daheim gewesen. Ich habe mit 31 Jahren quasi meine Heimat wieder neu kennen und schätzen gelernt. Dann habe ich gesehen, dass die ganzen Häuser kurz vor dem Verfall standen, abgerissen und für immer verschwinden würden. Das wollte ich verhindern. Anfangs ist es mir nur um die Häuser gegangen, aber dann entstand immer mehr der Gedanke, dass wir für unseren Ort, für unsere Region etwas brauchen, das zeitlos ist. Nicht unter dem Motto: Höher – schneller – weiter, sondern zeitlose Geschichte, die in 50 Jahren noch interessanter sein wird als heute. Das wird wertvolles Gut, das man leider nur noch in so kleinen Inseln erleben werden kann.

Wenn Donald Trump mal als Besucher kommen würde, was würden Sie ihm zeigen?

Ich würde ihm den Boden der Tatsachen zeigen, was das Leben wirklich beinhaltet. Aber ich denke, das wäre schwer zu erklären, weil der in seiner eigenen Welt lebt.

Wobei ich immer wieder sehe, wenn diese berühmten „Jammerer“ in das Dorf kommen und mitbekommen, wie die Menschen vor 300 Jahren gelebt haben, die ums Überleben kämpfen mussten, mit Dürre und Hochwasser oder wie man Lebensmittel haltbar macht, doch manchmal wachgerüttelt werden und erkennen, wir haben die beste Zeit momentan.

Wie begegnen Ihnen eigentlich die Besucher?

Also das ist sehr verschieden. Das kommt zum einen auf die Generation an, auf die Region wo sie herkommen, die einen sind etwas derber, die anderen etwas freundlicher, manche etwas schüchterner. Einige sind total überrascht mich hier zu sehen. Aber, wenn nicht hier wo dann? Besonders nett sind die jungen Familien, die durch die Faszination der Eltern mitgerissen werden und so zu meinen Fans werden. Und mittlerweile kennt mich eine bestimmte Generation schon als „Museumsmann“. (Wasmeier zeigt auf ein kleines Mädchen, das sein Dorf so gerne mit ihren Eltern besucht und für die er der Museumsmann ist und das findet er richtig toll.)

Was kann man aus dem Profisportlerleben ins „normale“ Leben mitnehmen?

Es hat ja nicht jeder das Glück, dass er den Erfolg hat den ich hatte, im Prinzip bleiben 99 Prozent auf der Strecke, haben aber durch den Sport extrem viel fürs Leben gelernt. Es gibt keinen Einzigen meiner Teamkollegen, der nicht seinen Weg gemacht hat, mit dem er auch seine Zufriedenheit gefunden hat. Ich kenne auch viele, die es aufgrund vieler Verletzungen nicht weit geschafft haben, aber immer wieder aufgestanden sind und weitergemacht haben. Und oft wurden die von Firmen angestellt, weil sie die Geschichte so schätzen, wenn ein Sportler sich durchkämpft und sich immer wieder neue Ziele setzt. Diese Lebensschule, nicht aufzugeben, immer weiterzumachen, die Teamfähigkeit, das Umgehen mit Niederlagen ist das, was man in keinem Studium und in keiner Schule so lernen kann wie im Sport und von der alle Unternehmer profitieren können.

Wie geht mit den künstlichen Hüften das Skifahren?

Beim Skifahren ist alles gut, da kann ich immer noch Vollgas geben – wobei das Vollgas sich schon reduziert, man wird mit der Zeit schon ruhiger (lacht heftig).

Ist denn noch für weitere Häuser Platz im Dorf?

Ja, ein bisschen Platz ist noch und zwei kleinere Häuser sind schon auf Lager, die noch dazukommen. Aber es gibt ja auch jede Menge Hausaufgeben zu machen, um das ganze Dorf hier zu erhalten. Das alleine ist schon ein Fulltime-Job. Jedes Dach muss alle fünf Jahre umgedeckt werden. Eine Schindel ist 80 Zentimeter lang, aber nur 30 Zentimeter davon stehen raus, man muss also die Seite die draußen war nach innen legen, da gibt’s vier Seiten und die muss man durchwechseln. Dabei werden die Schindeln sortiert, also die ganz schlechten kommen raus und man hat so vielleicht drei bis fünf Prozent ausgetauscht. Dadurch hat man kein neues, aber immer ein gutes Dach.

Das ist auch der Hauptteil meiner Erzählung, ich sehe mich als Vermittler von Kultur und Geschichte. Vermitteln in vielerlei Hinsicht – also schaut mal wie gut es uns geht im Vergleich zu früher. Die Wertigkeit des Handwerks, die Wertigkeit der Lebensmittel – was da auch an Arbeit dahintersteckt und dass nicht so viel weggeschmissen wird oder man das Hendl nicht für einen Euro kaufen kann. Das sind die Dinge, die ich gerne vermitteln möchte. Und dann kommt die Kultur dazu, wo wir andere Nationen dazu einladen um zu sagen, hei wir sind alle gleich und haben das Herz am selben Fleck. (Während des Gesprächs kommen immer wieder Besucher und fragen nach einem Autogramm, das natürlich jeder gerne bekommt.)

Man sollte jeden Tag genießen. Jeder Tag ist ein geschenkter Tag, das war mir schon als Sportler bewusst, aber durch die Krankheit meiner Frau ist das noch einmal eine ganz andere Nummer geworden und wir sagen jeden Tag in der Früh, wenn wir zusammen frühstücken: „Jeder Tag ist ein geschenkter Tag.“