Lebe leicht

Lagom ist mehr als ein Interiortrend. Es ist ein Lebensgefühl, das Achtsamkeit, richtiges Maß und Nachhaltigkeit in allen Lebenslagen propagiert, um etwas Wesentliches zu erreichen: Glück!

Skandinavische Länder schneiden in Glücksstudien seit Jahren am besten ab.

Mag es an den langen Wintern liegen, der neutralen politischen Position in unruhigen Zeiten oder an dem starken sozialen Zusammenhalt – immer wieder gibt es wegweisende Trends, die auf den Rest der Welt ausstrahlen und skandinavisches Design seit jeher zum Maß aller Dinge machen. Nach der fast exzessiv zu nennenden Gemütlichkeit des „Hygge“ aus Dänemark, ist nun Schweden mit einem ganzheitlichen Lebenskonzept in aller Munde: „Lagom“, richtig ausgesprochen „largohm“, kommt aus dem Land der Schären und bedeutet „nicht zu wenig, nicht zu viel, gerade richtig“. Bei uns hat dieses Lebensgefühl zunächst im Interiordesign Eingang gefunden. Es ist eine Strategie der gestalterischen Reduktion auf das wirklich Wesentliche. Wenige ausgesuchte Accessoires und Objekte in einer farblich abgestimmten Umgebung. Ein fast epikureisches Streben nach dem maßvollen ausgewogenen Genuss des Lebens. Man befreie sich von allem Überflüssigen. Lieber weniger Geschirr in der Küche, dafür aber in Farbe und Form passend, von hoher Qualität und in greifbarer Nähe. Lieber wenige Shampoos, Cremes und Tiegel im Badezimmer, dafür aber hochwertige natürliche Produkte. Lieber wenige Kleidungstücke im Schrank, dafür aber zeitlos elegante Klassiker mit langer Lebensdauer. Der aufgeschobene Papierberg, das Sammeln von unnötigem Wust, das Festhalten an alten Dingen ist permanent zu überprüfen. So erhält man eine Wohnumgebung, die innere Harmonie und wirkliche Ausgeglichenheit als Ergebnis hat.

Im Wohndesign bedeutet dies: klare Formen, ruhige Farben und ausgesuchte, wenige Akzente.

Möbel aus natürlichen Materialien sollten in der Form zurückhaltend und funktional sein. Die wirkungsvolle Inszenierung dieser einfachen Stücke ist das Geheimnis. Dabei stehen keine teuren Designer im Mittelpunkt. Selbermachen ist das Motto. Recycling und Upcycling von Fundstücken von Flohmärkten oder Antiquariaten. Wolle und Holz sind die bevorzugten Materialien der Lagom-Enthusiasten. Selber einmal den Pinsel und das Schleifpapier zur Hand nehmen, erzeugt eine größere Befriedigung als der Kauf eines fertigen Konsumprodukts. Ruhiges, indirektes Licht, warme Stoffe und ein paar einfache Objekte, die vor allem Ruhe herstellen und ausstrahlen sollen, lassen der Phantasie freien Raum. Ein paar Kerzen auf einem hölzernen Beistelltisch, farblich gedeckte, ja neutrale Wandgestaltung und das Achten auf die richtigen Proportionen der Elemente zueinander schaffen das perfekte Glücksgefühl in den eigenen vier Wänden. So wird die Wohnung zum Abbild des inneren Gleichgewichts, zum Kraftort abseits des Alltags. Dies alles als Minimalismus zu bezeichnen, ist ein Irrtum, denn Lagom schafft es, durch die sinnlichen Materialien auch Weniges in eine gemütliche Einrichtung, die so gar nichts mit kalter Reduzierung zu tun hat, zu wandeln. Es ist ein freies Konzept, fast wie ein schwedisches Feng-Shui, das mit dem Erreichen des richtigen Maßes körperliche Energien und geistige Kapazitäten freisetzt.

Selten war ein Interiortrend so ganzheitlich auf alle Lebensbereiche des Menschen gemünzt.

Die richtige Einrichtung ist zwar zentraler und augenscheinlicher Mittelpunkt dieses übergreifenden Denkens, aber Lagom ist viel mehr und zielt in Zeiten des Wunsches und der Notwendigkeit nach Nachhaltigkeit auf alle Bereiche der Existenz. Hart verdientes Geld bewusst und zurückhaltend ausgeben. Energie und Wasser als wichtige Ressourcen erkennen und entsprechend würdigen. Nachhaltiger Konsum, der umweltschonend produziert und fair gehandelt ist. Offene produktive Kommunikation auch zu schwierigen Themen untereinander. Im engen Familien- und Freundeskreis einander mit Vertrauen und Verlässlichkeit begegnen. Richtiges Essen ist mehr als Ernährung und Kalorienzählen, lieber mehr in gute, lokale Lebensmittel stecken als in ein überdimensioniertes unnützes Auto. Bei Kleidung immer auf den bequemen Wohlfühlfaktor achten, selbst bei festlichen Anlässen und natürlich auch hier auf zeitlose Qualität und Nachhaltigkeit schauen. Insgesamt geht es um bewusstes und gesundes Leben, um die Vorsorge auch für zukünftige Generationen und um das Vermeiden jeglicher Übertreibung.

Zu den entsprechenden Einrichtungstipps kann man sich längst von den einschlägigen Lifestyle- und Interiormagazinen inspirieren lassen.

Für die ganzheitliche Philosophie dieser Lebenseinstellung sei aber an dieser Stelle ein Buch empfohlen: „In der Mitte liegt das Glück/Lagom – der schwedische Weg zum guten Leben“ von Lola Akerström, erschienen im Knesebeck-Verlag. Dieser mit stimmungsvollen Bildern wunderschön illustrierte Ratgeber erklärt, wie wir mit kleinen Veränderungen in Ernährung, Lebensstil, Arbeit oder Einrichtung das Lagom-Konzept in unseren Alltag einziehen lassen können. Die renommierte Autorin fasst hier zusammen, was den typisch schwedischen Lebensstil ausmacht: die richtige Balance, Maß halten, Fairness und Zufriedenheit mit dem, was man hat. Hat man dieses Konzept verinnerlicht, dann geht auch der richtige Lagom-Stil im Interior wie selbstverständlich von der Hand. Der Geist formt die Materie. Eine Inspirationsquelle, um das zu erreichen, was jeder gerne möchte: stilvolles, leichtes Leben, das glücklich macht.