Historische Zeitreise

Die Romantische Straße

Jedes Jahr besuchen Millionen Touristen aus der ganzen Welt die „Romantische Straße“. Jetzt besteht die Chance, diese einzigartige Reise durch Geschichte, Kunst und Kultur einmal ganz entspannt ohne Menschenmassen zu unternehmen.

 

1950 wurde eine Route ins Leben gerufen, …

… die weltbekannt und zu einer der Hauptattraktionen Deutschlands wurde: die „Romantische Straße“.

Vom Main bis zu den Alpen reiht sich wie an einer kostbaren Perlenschnur ein einzigartiger Ort an den nächsten. Die Absicht hinter dieser Gründung war es, in der Nachkriegszeit einen erschwinglichen Urlaubsraum vor der Haustür der Deutschen zu schaffen und auch die europäische Kulturgeschichte bewusst zu machen, in der diese Landschaft von Beginn an eingebettet war. Sie bietet eben nicht nur mittelalterliche Städte mit pittoresken Fachwerkhäusern, die in der Zeit stehen geblieben zu sein scheinen. Auf dieser Strecke liegen Orte, in denen bedeutende Kaufleute und Künstler ihre Spuren hinterlassen haben und die einst zu den wichtigsten Zentren des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation gehört haben. Mit den Jahren geriet die Straße, die in ihrem Verlauf an die Via Claudia angelehnt von Norden nach Süden führt, ins Hintertreffen gegenüber Städten wie München. So erhielt sich eine Kulturlandschaft, durch die man eine einzigartige Zeitreise in die Vergangenheit erleben kann.

Die ersten Ausländer, …

… deren romantisches Bild von Deutschland durch Orte wie Dinkelsbühl oder Rothenburg ob der Tauber geprägt wurde, …

… waren die amerikanischen Soldaten, die mit ihren Familien hier Urlaub machten. Heute sind es vor allem Besucher aus Asien, vornehmlich aus Japan, die das Bild auf den engen Gassen bestimmen. So erfahren jährlich rund 5 Millionen Übernachtungsgäste und viermal so viele Tagestouristen die 413 Kilometer von Füssen nach Würzburg. Bei allen Einschränkungen, die wir durch Covid-19 zur Zeit erfahren, bietet sich nun im Herbst die Möglichkeit, diese Kulturdenkmäler einmal in ruhigerer Beschaulichkeit und Entspanntheit zu entdecken. Ein Stunde von der Landeshauptstadt entfernt eröffnet sich eine Welt mit einer Mischung aus anmutiger Landschaft, historischer Architektur, einmaligen Kunstwerken und regionaler Kulinarik, die ihresgleichen in Europa sucht. Die Vielzahl der Sehenswürdigkeiten sollten auf einem mehrtägigen Trip besichtigt werden. Und ist man dann endlich in Würzburg oder Füssen, je nachdem welche Richtung man einschlägt, so ist man in kurzer Zeit auch wieder zu Hause in der Gegenwart – nach einer unvergleichlichen Zeitreise. Ideal auch für Familien, denn welches Kind wäre nicht fasziniert von Türmen, Stadtmauern und Burgen, die man in dieser Unversehrtheit nirgendwo anders in einer solchen Konzentration findet.

Von München aus bietet sich natürlich …

… die Route von Süden nach Norden an.

Beginnend von Schloss Neuschwanstein und an der Wieskirche vorbei, gelangt man an die erste klassische Station der „Romantischen Straße“. Wenn man in das Tal des Lechs fährt, empfangen einen die Stadttore und -mauern von Landsberg am Lech, die die mittelalterlichen Gassen mit ihren schmalen authentischen Häusern umschließen. Gegründet im Jahr 1160 von Heinrich dem Löwen, der auch München aus der Taufe gehoben hat, sicherte sie die Salzstraße, die wichtigste Lebensader im Mittelalter. Heute ist Stadt eines der wichtigsten Zentren der Region mit einem jungen Lebensgefühl, in dem es viele Handwerksbetriebe gibt.

Einen Besuch wert ist die Lederwerkstatt von Kai-Uwe Möschler in der Ledergasse 367. Mit den historischen Maschinen und dem Duft nach echtem Leder hat der junge Meister hier einen Ort geschaffen, der direkt aus dem Mittelalter stammen könnte. Typisch für das alte junge Städtchen sind auch die diversen Schokoladenmanufakturen, die sich hier angesiedelt haben. Sollte man noch etwas Zeit haben, empfiehlt sich ein Spaziergang im Wildpark, der sich direkt an die Altstadt anschließt. Dort können sie zutrauliche Rehe beobachten, die sich ganz unbefangen dem Besucher nähern.

Die nächste Station ist Augsburg, …

… eine der wichtigsten Städte der Vergangenheit, …

… deren wirtschaftliche Bedeutung von der Kaufmannsfamilie der Fugger geprägt wurde. Eigentlich ist dieses Juwel mit seinen Bauten aus Gotik, Renaissance und Rokoko für einen Kurzbesuch zu schade, aber die „Romantische Straße“ hat noch einige Kilometer zu bieten. Vielleicht sollte man diese Tour dazu nutzen, sich Anregungen für vertiefende Besichtigungen zu einem späteren Zeitpunkt zu holen. Eines muss man aber auf jeden Fall gesehen haben: die Fuggerei. Diese wohl älteste Sozialbausiedlung der Geschichte dient ihrem Zweck noch heute. Für eine symbolische Jahreskaltmiete von 0,88 Euro kann man in den begehrten Wohnungen leben – vorausgesetzt man lebt seit mehreren Jahren in Augsburg, ist bedürftig und ein guter Katholik und betet täglich für die Stifterfamilie der Fugger, die zu ihrer Zeit neben den Medici in Florenz zu den einflussreichsten Handelshäusern Europas gehörten.

Nach einer kurzen Rast in der Blumenstadt Rain …

… mit einem Picknick am Stadtteich erreichen wir nun Nördlingen, …

… das im Zentrum des kreisrunden Nördlinger Rieses liegt. Es ist der Überrest eines Kometeneinschlags in grauer Vorzeit, dessen fruchtbarer Boden den Reichtum des komplett von einer Stadtmauer umschlossenen Städtchens begründet hat. Mehr Mittelalter geht nicht, denn abends um 22 Uhr ruft seit Menschengedenken der Türmer von St. Georg sein „So, Gsell, so“ zur Nachtruhe, die heute natürlich in den quirligen Gassen nicht mehr eingehalten wird. Die Stadtmauer ist übrigens durch einen Wehrgang voll begehbar, und so kann man diesen wunderbaren Ort für den ersten Eindruck komplett umrunden.

 

Als nächstes steht eines der bekanntesten Postkartenmotive der „Romantischen Straße“, Dinkelsbühl, auf dem Programm. Nahe dem UNESCO Weltkulturerbe des römischen Limes gelegen, ist dieses nahezu unversehrte Kleinod des Mittelalters einen ausgedehnten Spaziergang wert. Mit seinem geschlossenen Mauerring und dem historischen Marktplatz bietet es ein Geschichtsgefühl, dem man im historischen Museum der Stadt nachspüren sollte.

Genauso bekannt auf allen Kontinenten ist Rothenburg ob der Tauber, …

… das den Eingang zum ebenso benannten Tal mit seinen sanften Hängen und Weinbergen markiert.

Das Kobolzeller Tor und der Siebersturm gehören wohl zu den meist fotografierten Sehenswürdigkeiten unseres Landes. Aber vor allem ist Rothenburg die Stadt eines der wichtigsten Künstler in der Kunstgeschichte Deutschlands am Übergang von der Gotik zur Renaissance: Tilmann Riemenschneider. Eine schillernde Figur, der als Bildschnitzer und Politiker seine Zeit prägte. Er war sogar einige Jahre Bürgermeister von Würzburg, wo er auch im Zuge der Bauernkriege eingekerkert war und gefoltert wurde. Der Legende nach wurden ihm dabei die Hände gebrochen, sodass er danach nicht mehr als Bildhauer arbeiten konnte. Wenn man den Heilig-Blut-Altar in St. Jakob zu Rothenburg besichtigt, kann man ermessen, was für ein Verlust dies für die Kunst war. Das grandiose Schnitzwerk ist nicht wie früher bunt gefasst, sondern vom Meister monochrom gehalten. Dies und die Lichtwirkung durch den durchbrochenen, nicht abgeschlossenen Schrein machen den Altar zu einem für seine Zeit revolutionären Werk. Allein dafür lohnt es sich, neben allen anderen Attraktionen nach Rothenburg zu kommen und sich mit der Vielschichtigkeit des Werks zu beschäftigen.

Jetzt fahren wir in das malerische Main-Tauber Tal, …

… vorbei an vielen Orten, die wir hier nicht alle vorstellen können, nach Weikersheim mit seinem wunderbaren Schloss.

Es verfügt über eine eigene Musikakademie im Gewehrhaus des Schlossparks. Dieser ist ein kleines Wunder, das in seiner Anmutung, aber natürlich nicht seiner Größe nach, mit Versailles konkurrieren kann. Der Bau aus der Renaissance derer von Hohenlohe mit seiner fast vollständigen Inneneinrichtung ist ein Muss auf der Tour, und wenn uns Corona wieder aus den Fängen lässt, sollte man einmal die Freiluftkonzerte und Opernaufführungen der jungen Musiker von „Jeunesse Musical International“ aus der ganzen Welt erleben.

Die Krönung der „Romantischen Straße“ bildet auch den Schlusspunkt unserer, zugegeben sehr selektiven Reise:

Würzburg und die bischöfliche Residenz, die eindrucksvoll über der Stadt thront.

Hier findet sich ein einzigartiges Ensemble aus Architektur und Malerei. Der Bau fasst die Ergebnisse der großen abendländischen Architekturströmungen jener Zeit, der französischen Schlossarchitektur, des Wiener Barock und des oberitalienischen Palast- und Sakralbaus zu einem Gesamtkunstwerk zusammen. Der Würzburger Hofarchitekt Balthasar Neumann, dem die Leitung dieses gewaltigen Bauvorhabens oblag, hatte jedenfalls nicht nur Architekten wie Lucas von Hildebrandt und Maximilian von Welsch, sondern auch zahlreiche Dekorationskünstler wie etwa den Italiener Antonio Bossi oder den größten Freskenmaler des 18. Jahrhunderts, Giovanni Battista Tiepolo, unter einen Hut zu bringen. Diese Künstler haben Balthasar Neumanns unvergleichliche Raumfolge – Vestibül, Treppenhaus, Weißer Saal, Kaisersaal – in kongenialer Weise ausgestattet und überdies noch in einer schöpferischen Gemeinschaftsleistung das „Würzburger Rokoko“ hervorgebracht, die temperamentvollste von allen Varianten dieses Stils in Deutschland. Eine Attraktion, die nördlich der Alpen nicht seinesgleichen findet und die jeder einmal gesehen haben muss.

Natürlich hat Würzburg noch mehr zu bieten, wie alle Orte, die wir besucht haben.

Es gäbe so viele Städte, Kirchen, Burgen oder Schlösser zu besichtigen. Aber es sind wie schon erwähnt über 400 Kilometer, auf denen sich eine wundervolle Preziose der Architektur- und Kunstgeschichte an die nächste reiht. Auf www.romantischestrasse.de kann man sich einmal in diese Welt begeben, sich seine individuelle Tour zusammenstellen und für jede Etappe das richtige Quartier finden. Dann steht einer Zeitreise, die jedes Jahr unzählige Geschichtsinteressierte anzieht, nichts mehr im Weg. Nur diesmal vielleicht entspannter und menschenleerer als es diese Orte in den letzten 70 Jahren jemals erlebt haben.