Himmel der Viktualien

Münchens Märkte

Bayern ist traditionelles Agrarland und seit jeher brachten die Bauern tagtäglich in aller Früh ihre Erzeugnisse nach München. Die Märkte unter freiem Himmel sind bis heute mehr als Einkaufsmöglichkeit, sie sind lebendige Treffpunkte und soziale Räume.

Die Sonne geht gerade auf …

… und erste wärmende Strahlen treffen auf Buden und Stände.

Gemüse wird sorgsam drapiert, Blumen werden arrangiert, Fleisch- und Wurstwaren in Kühlvitrinen liebevoll ausgelegt. Alles ist bereitet für die Frühaufsteher, die ihre Einkäufe lieber unter freiem Himmel erledigen, mit Händlern und Nachbarn plaudern und gleich vor Ort das ein oder andere probieren. Unter weißblauem Himmel versorgt man sich mit Viktualien, altlateinisch für Lebensmittel, die mehr sind als Eier, Brot und Butter. Auch Nachrichten, Tratsch und ein gemeinsamer Kaffee sind lebensnotwendig in einem lebendigen Viertel. Man kennt sich, schätzt sich und achtet aufeinander. Trotz Discountern und Supermärkten haben die Oasen der Genüsse überlebt. In Zeiten der bewussten Ernährung und lokaler Nachhaltigkeit erleben sie neuerlich einen Boom. Man flaniert von Stand zu Stand und lässt sich inspirieren, was man heute zubereiten könnte. Nascht, lässt sich in Ruhe beraten und packt mit Vorfreude qualitätsvolle Einkäufe in die Tasche. Hat man noch Zeit, gönnt man sich sogar noch einen kleinen Frühschoppen oder ein zweites Frühstück im Freien.

Das Zentralgestirn der Lebensfreude …

… ist natürlich der Viktualienmarkt, …

… der seit 1807 Spezialitäten und Grundlebensmittel aus aller Welt in herrlichen Auslagen an festen Ständen vor den Augen der Besucher ausbreitet. Als München zu dieser Zeit immer mehr wuchs, verlegte man ihn vom ehemaligen Schrannenplatz, heute Marienplatz, an diese Stelle. Man könnte meinen, dass er vor allem eine Touristenattraktion ist, aber für Münchner ist es ein geliebter Ort, an dem sie für alltägliche oder besondere Anlässe einkaufen gehen. Hier kann man sich Zeit lassen, vielleicht sogar mit Freunden verabreden und nach dem Einkauf im kleinen Biergarten unter schattigen Kastanien eine Brotzeit machen. Da keine der ansässigen Brauereien bevorzugt werden sollte, beliefern diese abwechselnd die Schänke. Die aktuelle Brauerei wird angeschlagen und mancher setzt sich nur dann zu einer kühlen Maß nieder, wenn sein Lieblingsbier an der Reihe ist. Dabei werden sie liebevoll von den Statuen der Volkssänger wie Karl Valentin oder Ida Schumacher beobachtet, die die Brunnen schmücken, mit denen sich die Standler immer mit frischem Wasser versorgen konnten.

Für diese beginnt der Arbeitstag früh, und nach der Vorbereitung der Auslagen bleibt noch Zeit für eine frische Aus’zogne aus dem Café Frischhut, im Volksmund „Schmalznudl“ genannt, die auch für manchen Nachtschwärmer die erste Nahrungsaufnahme des Tages bedeutet.

Daneben liegt die restaurierte Schrannenhalle, …

… ein wunderbarer Industriebau der Jahrhundertwende, in der die Bewohner der „nördlichsten Stadt Italiens“ einer besonderen Leidenschaft nachkommen können. Im Eataly kann man einen Kurzurlaub südlich der Alpen machen und alles finden, was man in Italien kennen- und liebengelernt hat. Gemüse aus dem Oberland, frische Früchte vom Mittelmeer und duftende Gewürze aus den Tropen – am Viktualienmarkt ist die Welt zu Hause. Und jeder Besuch ist eine erlebnisvolle Genussreise, die ein Münchner zu schätzen weiß. Nicht umsonst ist dieses Paradies bei der UNESCO als immaterielles Weltkulturerbe eingetragen.

In Pasing gibt es übrigens auch einen Viktualienmarkt.

Früher war dieser Teil Münchens eine Stadt für sich mit einem eigenen großen Markt. In einem malerischen Innenhof nahe dem Rathaus versorgt er auf 400 Quadratmetern die Vorstädter mit lokalen Lebensmitteln für den täglichen Bedarf. Das Ensemble wurde im Krieg von Bomben verschont und hat sich daher bis heute einen ganz besonderen Charme erhalten können. In Schwabing findet sich ein weiterer ständiger Marktplatz, der Elisabethmarkt. Wie wichtig er für die Anwohner ist, zeigte sich in der hochemotionalen Diskussion, die dem jetzigen Umbau und der aufwändigen Renovierung vorherging. Bis 2023 sind die Händler auf einen Ausweichstandort in der Arcisstraße umgezogen, damit dieser wichtige soziale Raum für die Zukunft fit gemacht werden kann. Das Projekt ist ehrgeizig. Zehn Marktgebäude mit 22 Ständen werden neu errichtet, für Anwohner wird eine Tiefgarage eingerichtet und bisherige Gassen und Sitzgelegenheiten bleiben erhalten. Worauf man sich freuen kann, sind die geplanten begrünten Dachterrassen, von denen man in Zukunft das Treiben auf dem wunderbaren Platz beobachten kann. Alles wird noch grüner, der alte Baumbestand erhalten und das Areal nach allen vier Seiten geöffnet. War der Markt schon vorher ein beliebter Treffpunkt für die Schwabinger, kann man sich auf die Neueröffnung nach der Neugestaltung freuen.

„Denkt global, esst lokal.“

Unter diesem Motto haben die Bauernmärkte in den Stadtvierteln eine wunderbare Renaissance erlebt. Hier gibt es zu Weihnachten zwar keine Erdbeeren oder Spargel im Herbst, dafür kann man mit gutem Gewissen bio und regional einkaufen. Das hilft nicht nur der Umwelt, sondern auch den Erzeugern, denn sie können ihre Viktualien direkt verkaufen, ohne sich dem Preisdruck der Discounter aussetzen zu müssen. Sie dienen damit auch dem Erhalt gewachsener bäuerlicher Strukturen im Umland. Keine langen Transportwege und absolute Frische sind der beste Garant für eine Zukunft in Zeiten des Klimawandels. Dazu haben sie alte Plätze wieder zu öffentlichen Orten gemacht, die im Schatten der Kirchtürme immer das Zentrum der einzelnen Stadtviertel waren. Ob am Josephsplatz in Schwabing, am malerischen St.-Anna-Platz im Lehel oder am Traditionsstandort in der Au am Mariahilfplatz, die Märkte geben diesen Orten ihre eigentliche Funktion als sozialer Treffpunkt wieder. Nicht nur zur Auer Dult, auf der schon immer die Hausfrauen aus den „Scherbenvierteln“ ihr Geschirr oder Alltagskleidung gekauft haben – überall findet man diese Bauernmärkte: auf der Schwanthaler Höhe im Westend, in Ramersdorf am Mangfallplatz und sogar an der Pinakothek der Moderne in der Maxvorstadt. Unter www.muenchner-bauernmaerkte.de kann man sich seinen Markt in der Nähe aussuchen und über die Öffnungszeiten informieren.

Zu den Münchner Bauernmärkten

muenchner-bauernmaerkte.de

München ist sich der Traditionen bewusst, …

… die den genussfreudigen Bürgern wichtig sind.

Es geht auch um gewachsene Viertel wie die Gegend um den Schlachthof und den Großmarkt. Man hat aus Fehlern anderer Kommunen gelernt, die diese Institutionen oft in die Peripherie verlegt und so den Bürgern entzogen haben. Für beide Areale stehen in den nächsten Jahren große Veränderungen an. Der Neubau der Großmarkthalle am alten Standort soll die Arbeitsbedingungen der Händler verbessern und zukunftsfähig machen. Gleichzeitig werden die historischen Hallen als Kulturzentrum für die Anwohner erhalten bleiben. Es wäre auch ein herber Verlust, wenn Institutionen wie die Gaststätte am Großmarkt verschwinden würden, wo es nach Ansicht vieler Münchner die besten Weißwürscht der Stadt gibt.

Selbst der Schlachthof an der Zenettistraße, …

… der in den letzten Jahren stetig an Bedeutung verloren hat, soll in gewissem Umfang erhalten bleiben. Es ist noch nicht lange her, dass in den alten Hallen jeden ersten Samstag im Monat in aller Früh ein Pferdemarkt abgehalten wurde. Erst 2006 verschwand dieser aus dem Viertel. Nun entsteht an dieser Stelle das neue Volkstheater. Glücklich eine Stadt, die sich neue Theater leisten kann.

Gleich dahinter schmiegt sich die Kultur-Containerstadt des Bahnwärter Thiel an die Gleise der Eisenbahnlinien, die aus München herausführen. Die traditionelle Gaststätte am Schlachthof mit seiner Bühne, die eine erste Adresse für alle Kabarettisten der Republik ist, rundet diese einzigartige Mischung aus Kultur und Kulinarik ab. Zwei Dinge, die Münchnern immer wichtig sind. Denn der Mensch lebt nicht nur vom Brot allein. Viktualien sind eben Lebensmittel, und die gehen nicht allein durch den Magen, sondern auch durch Herz und Seele.