Adieu Tristesse

Ein reduziertes und ruhig gehaltenes Interieur ist eine erstrebenswerte Sache. Doch jetzt wird es Zeit, knallbunte Akzente zu setzen, um mit wenigen Mitteln wieder Spannung in gewohnte Wohnwelten zu bringen, die auch eine starke emotionale Wirkung haben.

Wahrhaft innovative Trends …

… in Design und Gestaltung sind oft Antworten auf vorher gestellte Gestaltungsfragen.

Sie streben nach weiterer Entwicklung, adaptieren oft künstlerische Vorbilder und sind selten auf ein einziges Feld begrenzt. So kommt Colour Blocking ursprünglich aus der Modewelt, hat aber längst die Grenze des Textildesigns überwunden und ist mehr als nur die gewagte Kombination starker Farben. Diese verblüffenden Kontraste aus großen unifarbenen Flächen zu setzen ist eine Kunst und so verwundert es nicht, dass das Vorbild und die Theorie dieser Strömung bei einem der Klassiker der Moderne zu suchen ist. Piet Mondrian, dessen Gemälde der klaren Farbfelder wir alle kennen, ist die Inspirationsquelle für viele Designer einer spielerischen Sachlichkeit. Sie folgen dabei seiner Lehre, die jeweils Farben auswählt, die im Spektrum der komplementären Töne entgegengesetzt sind. Diese Paarungen ergeben dann die starken und aufregenden Gegensätze, mit denen in den letzten Jahren vor allem die Mode gespielt hat. Einfarbige Stücke werden hier ganz nach individuellem Geschmack sicher und doch gewagt kombiniert.

Großflächig und vor allem ohne Muster …

… fordern sie oft den Mut der Trägerin heraus, ihr ganz eigenes Farbempfinden zu entwickeln und die eigenen Grenzen des Möglichen und Tragbaren auszuloten. Die reduzierte Eleganz von Schwarz und Grautönen rief schon lange nach einer heiteren Auflockerung, die nicht nur ästhetisch funktioniert, sondern auch mit seiner Fröhlichkeit die emotionale Gedankenwelt bereichert und stärkt.

Es war nur eine Frage der Zeit, …

… bis diese Strömung auch andere gestalterische Bereiche erreicht.

Das gehobene Interieur ist dabei natürlich naheliegend, denn es macht wenig Sinn, mit lebendiger Kleidung in knalligen Signal- oder sanften Pastelltönen in einer nüchtern durchgestylten Wohnung zu leben, die sich auf eine schmale und beschränkte Farbpalette stützt. Petrol und Grautöne in der Wandgestaltung und Möbel aus Naturmaterialien prägten hier in den letzten Jahren die ruhige abgeklärte Atmosphäre. Colour Blocking ist in diesem Fall das ideale Instrument, um mit starken poppigen Akzenten große Wirkung zu erzielen und ideale heitere Stimmungen zu kreieren. Dabei werden alle möglichen Elemente der Inneneinrichtung einbezogen. Farbe, Möbel, Wohntextilien, Dekoobjekte, ja selbst nebensächlich scheinende Objekte wie ein funktionaler Lichtschalter können hier genutzt werden, um neue Töne in die Komposition der raffinierten Raumgestaltung einfließen zu lassen. Die Kunst ist es, in dieser Partitur der polyphonen Farbigkeit eine umfassende und angenehme Harmonie zu erreichen. Die schon erwähnten gesetzten Kontraste spielen hier die entscheidende Hauptrolle. Ausgehend von einer starken Farbe, zum Beispiel eines Teppichs in kräftigem Rosa, sollte man dann anhand der entsprechenden Komplementärfarbe die neuen Töne für Möbel oder Wände auswählen. Meist genügen nur ein paar Kleinigkeiten ohne die Grundstimmung des bestehenden Interieurs in Frage zu stellen, um überraschende Wirkung zu erzielen. Man möchte ja schließlich nicht alles über Bord werfen, was man in den letzten Jahren sorgsam ausgesucht und kombiniert hat.

Dazu bedarf es natürlich ein bisschen Mut, …

… denn das Colour Blocking kennt an sich keine Regeln.

Man sollte sich in Ruhe überlegen, welchen Kontrast man erreichen und welchen Effekt man erzielen möchte. Die Komplementärfarben, die sich im Kreis gegenüberliegen, sind ein perfekter Ausgangspunkt, denn ihre Wechselwirkung ist für das menschliche Auge natürlich. Blau und Orange, Rot und Grün, Gelb und Violett sind starke Paare, die man in ihren Schattierungen perfekt zueinander in Beziehung setzen kann. Neben dem Möbelkatalog ist so der Farbfächer als Grundausstattung der zeitgemäßen Innenarchitektur noch wichtiger geworden. Das ist eine Ausgangsbasis, aber man darf auch ruhig überraschende Gegensätze ausprobieren, die der klassischen Lehre widersprechen und keine der üblichen Erwartungen erfüllen. Entscheidend ist der eigene Geschmack, das persönliche Stilempfinden. Eine violette Decke auf einem grünen Sofa? Warum nicht, wenn die Optik und Haptik des Materials eine Symbiose eingehen, wenn die Intensität der Töne richtig ausgewählt wurde. Wie schön ist es, seine Wohnung als innovative Spielwiese neu zu begreifen, Regelwerk und Konvention über Bord zu werfen und rein dem inneren Empfinden zu folgen. Denn starke Farben haben einfach eine tiefe emotionale Wirkung und können Stimmungen zum Positiven verändern, das spielerische Kind in uns erwecken.

Manchen mag das zu radikal erscheinen, …

… aber, wie gesagt, Colour Blocking hat keine starren Regeln.

Daher kann man auch mit zarten Tönen wie angenehmen Pastellfarben arbeiten. Wichtig ist nur der Kontrast, den man wünscht und erreicht. Gerade diese Farben sollten in großen Flächen verwendet werden, um ihre Wirkung voll entfalten zu können. Ein kleines knalliges Kissen auf einem farblich dezenten Bett ist auch Colour Blocking auf eine zurückhaltende elegante Weise. Wie auch sonst im Leben gilt: Zuviel von vielem ist nicht immer wünschenswert und gut. Man sollte nicht wild in großem Maßstab und in großer Zahl verschiedenste Farben einsetzen. Beschränken Sie sich im ersten Schritt auf zwei kräftige Farben, die zu Ihrem bestehenden Interieur passen. Damit kann man spielen, ausprobieren und ohne großen Aufwand Irrtümer korrigieren. Wie ein Virtuose werden sie peu à peu Sicherheit gewinnen, Wagnisse eingehen und den eigenen Geschmack schulen. Dann sind auch eigenen Ideen keine Grenzen gesetzt und die Umgestaltung bestehender Objekte kann befriedigender sein als ein Neukauf. Ein anderes Polster für den Lieblingssessel, die unterschiedliche farbliche Gestaltung eines einfachen Regals oder selbst knallige Lichtschalter als durchdacht gesetzter Akzent können Räume überraschend verändern. Genauso wie ein knallroter Hocker in einem sonst reduzierten nüchternen Interieur. Der kann dann auch ruhig barocker sein, denn nicht nur die Farbe, sondern auch die Form ist entscheidend. Kontraste sind eben alles beim Colour Blocking.

Hat man für sich das richtige Gefühl entwickelt, …

… kann man auch einen Schritt weitergehen.

Wer sagt denn, dass ein Schrank nur eine Farbe verträgt? Selbst unterschiedliche Töne für die zwei Türen dieses Möbels sind möglich, wenn der Kontrast passt und sitzt. Natürlich immer abgestimmt auf die dahinterliegende Wand. Apropos Türen: Ist Ihre Küche strahlend weiß? Sieht bestimmt großartig aus, ist aber auf die Dauer vielleicht etwas langweilig. Zumindest die Kaffeemaschine könnte eine starke Signalfarbe oder einzelne Flächen wie Schrank- oder Kühlschranktüren könnten farbliche Akzente vertragen, die man dann zum Beispiel bei den Vorhängen oder Tischdecken aufnehmen könnte. Der klare Grundton bleibt erhalten, die eingesetzte Farbpalette lockert kontrastreich auf. Dies erreicht man auch durch modernste technische Materialien. Moderne Metalltüren in gebürstetem Messing oder Bronze bringen einen goldenen Schimmer in diesen zentralen Raum und haben nicht nur eine erstaunliche Farbwirkung, sondern durch ihre Haptik und Materialität eine zusätzliche Dimension in der sinnlichen Wahrnehmung. Auch im Außenbereich von Garten und Terrasse funktioniert das Prinzip des Colour Blocking. Man sollte ruhig einmal an farbige Fensterläden in Abstimmung mit der Fassadengestaltung nachdenken. Ansonsten genügen auch kontrastreiche Liegestühle oder Sonnenschirme. Den Rest erledigt dann die überbordende Palette der Natur mit Pflanzen und wechselnden Himmelsstimmungen.

Colour Blocking beginnt meist …

… mit einer großen Farbfläche wie dem Teppich oder der Wandfarbe.

Letztere darf auch ruhig in zwei unterschiedlichen Farben, geteilt mit einem Gestaltungselement wie einer nachträglich eingesetzten Stuckleiste, sein. Das erhöht bei richtigem Einsatz die Raumtiefe und sorgt für einen verblüffenden Vergrößerungseffekt. Denn rein weiße Räume wirken kleiner, da sie dem Auge keinen Kontrast und damit Fluchtpunkt bieten können. Ganz mutige Gestalter lösen auch die starre Geometrie der geraden Wände auf, indem sie schräge oder diagonale Felder in entsprechenden Kontrasten einsetzen. Abgestimmt auf die davorstehenden Möbel werden so Raumwirkungen erzielt, die frech und überraschend sind. Wie gesagt, Mut gehört zu einem effektvollen Colour Blocking und Gleichförmigkeit ist ein absoluter Feind dieses Trends. Aber darüber hinaus sind Details entscheidend, wie Dekoobjekte, die dem Raumkonzept den letzten Schliff geben. Am einfachsten nimmt man zum Beispiel bei Vasen die bereits verwendeten Spektren in abgeänderter Schattierung wieder auf. So werden trotz des Farbeinsatzes die Sinne nicht verwirrt und eine grundsätzliche Harmonie breitet sich im Raum aus.

Für Heimtextilien gilt das Gleiche wie für die Mode:

Geometrische Prints sind in, …

… starke Nuancen in Farben und Formen das absolute Muss. Das sorgt in den ruhigen großen Farbfeldern für Bewegung und Leichtigkeit. Streifen, Dreiecke und Kreise sind die formale Entsprechung der poppigen Farben dieses Trends. Da sind wir wieder bei Piet Mondrian mit seinen durch schwarze Linien abgesetzten Feldern, die in ihrer Unterschiedlichkeit so harmonisch und abgestimmt auf uns wirken. Längst sind sie in unserem kollektiven ästhetischen Unterbewusstsein verankert. Colour Blocking ist also nicht einfach nur ein weiterer Mode- und Interieurtrend, sondern fast natürlich in seiner Absicht und Fähigkeit, die manchmal zu durchgestylte Tristesse heutiger Wohnwelten spielerisch zu durchbrechen. Belohnt wird man neben dem ästhetischen Genuss auch mit einer gehobenen Stimmung, die durch die Fröhlichkeit der Farben angeregt wird.